Warum ein Havaneser?

An dieser Stelle soll kein Rasseporträt stehen (diese findet man inzwischen häufig online und in seriösen Printmedien), sondern eine leidenschaftliche Liebeserklärung.

Auf die Rasse der Havaneser sind wir über unsere Kinder gestoßen: Während ich trotz meiner großen Hundebegeisterung immer alle Hunde, die kleiner als ein ausgewachsener Schäferhund waren, nicht als vollwertige Hunde angesehen und schlichtweg ignoriert hatte – zu häufig erlebt man außerdem in dieser Größenkategorie unerzogene kleine Kläffer mit ausgeprägtem Jagdtrieb – , forderten unsere Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren hartnäckig ein, ebenfalls einen Hund an der Leine führen zu dürfen. Das war jedoch mit den Landseern, die wir damals hatten, problematisch. Selbst ein gut erzogener Landseer, der die Leinenführigkeit beherrscht, ist ein Lebewesen, und sogar ich selbst habe mich einmal, als ich mit einem unserer Landseer an der Bundesstraße entlanglief, halb auf der Fahrbahn liegend wiedergefunden, nur weil der Hund – ausgelöst durch den lauten Knall eines vorbeifahrenden Fahrzeugs – einen überraschten Satz gemacht hatte. Da wir dem Wunsch unserer Kinder entsprechen wollten, machten wir uns auf die Suche nach einer zweiten Rasse. Mittelgroße Rassen schieden aus, da diese ja ebenfalls noch problemlos einen Fünfjährigen zu Fall bringen können. Also wandte ich mich etwas widerstrebend den Kleinhunden zu und orientierte mich bei der Rasseauswahl überhaupt nicht an optischen Kriterien: Wichtigste Bedingung war, dass der Kleinhund alle unsere Unternehmungen als begeisterte Bergwanderer und Nordic-Walking-Fans problemlos und begeistert mitmachen können sollte. 

Im Haus aber sollte er sich ruhig und unauffällig verhalten wie unsere Großen und nicht ständig wie ein Terrier oder die meisten anderen Kleinhunderassen umherwuseln auf der Suche nach Beschäftigung und Action. Sobald aber Aktivitäten angesagt sind, sollte er mit Freude dabei sein und dabei mit den Riesen mithalten. Von den Landseern waren wir genauso Freundlichkeit gegenüber Fremden gewohnt (auch die Havaneser sollten in unsere Projekte mit Kindern und in Altersheimen einbezogen werden können) wie die Abwesenheit einer starken jagdlichen Triebigkeit. Alle übrigen Tiere sollten ungefährdet weiterleben und nicht als Beute betrachtet werden und Waldspaziergänge sollten auch mit einem gemischten Rudel weiterhin entspannt bleiben. Wenn man immer als Erster jeden Hasen sehen muss, um den Hund rechtzeitig abzurufen, ist ein Dahinträumen oder anregendes Gespräch mit Ehemann oder Kindern kaum möglich. Nach viel Lektüre einschlägiger Bücher und Fachzeitschriften und dem Gespräch mit etlichen Züchtern der Rasse, zog dann unsere erste Havaneserhündin bei uns ein, die sogleich zu meinem Herzenshund wurde, obwohl uns noch lange Zeit mehrere Landseer begleiten sollten. Sie brachte alles mit, was man sich von einem Hund nur wünschen kann und von diesem Moment an waren wir den Havanesern verfallen. Heute leben wir ohne Riesenhunde (von der Haltung der sanften Riesen haben wir schweren Herzens ganz Abstand genommen, weil wir nicht mehr mit dem erhöhten Risiko einer Magendrehung leben möchten), aber immer mit einem Rudel Havaneser, da auch die Hunde, die altershalber aus der Zucht gekommen oder nicht dafür geeignet sind, als vollwertige Familienmitglieder selbstverständlich einen Lebensplatz bei uns haben. Oft erleben wir, dass bei interessierten Familien die Männer anfangs noch skeptisch sind und in den Anfängen unserer Zucht lieber mit einem Landseerwelpen nach Hause gegangen wären…sobald aber der Havaneser dann in deren Familie eingezogen war, vermissten diese Männer dann gar nichts mehr und nicht selten musste dann die Gattin die Dogge an die Leine nehmen, während der Ehemann den Havaneser bevorzugte (und das nach dem Satz: „Wie sähe denn das aus, wenn ich als großer Mann mit einem Minihund spazieren ginge?!“). Als erfahrene und langjährige Züchter dieser Rasse, können wir heute mit Fug und Recht behaupten, dass es kaum eine Familie gibt, die nicht mit einem Havaneser bestens beraten wäre. Ein Havaneser macht tatsächlich in der Regel begeistert alle Unternehmungen seiner Menschen mit. Er ist für jeden Quatsch und jedes Hobby zu haben – Welpen aus unserer Zucht machen mit beim Drachenfliegen, sitzen auf Stand-up-Paddeln, fliegen mit einem wackeligen Kleinflugzeug über die Alpen zum Kaffeetrinken nach Venedig, arbeiten therapeutisch erfolgreich in allen Sparten, gewinnen Agility-Turniere, werden in Mantrailing oder zum Rettungshund ausgebildet, lieben Dog-Dancing oder stundenlange Fußmärsche. Im Haus ist der Havaneser ein unauffälliger Schatten, der gerne eng bei seinen Menschen liegt. Ist ihm nach Spiel und Spaß zumute, vergnügt er sich auch einmal alleine mit seinen Spielsachen, wenn gerade kein Spielpartner zur Verfügung steht. Ein notorisches Herumwuseln und Auffordern seiner Menschen zu Spaß und Aktion wäre mir bei aller Hundeleidenschaft lästig. Mit einem Havaneser KANN man stundenlang arbeiten, man MUSS aber nicht! Auch das kommt den meisten Familien zugute, besonders wenn auch Kinder mit ihren Aktivitäten dafür sorgen, dass der Zeitplan mitunter recht eng gestrickt ist und keine zwei Stunden täglich für aktive Beschäftigung mit dem Hund zur Verfügung stehen. Als jahrtausendealte Begleithunderasse ist der Havaneser nie für eine bestimmte Arbeit gezüchtet und daraufhin selektiert worden – und das merkt man ihm auch heute noch an! Er will bei seinen Menschen sein, dann ist er glücklich. Deshalb muss man auch das Alleinbleiben mit dem vierbeinigen Familienmitglied in jedem Fall gut einüben, damit später dann ein stressloses Zusammenleben mit Hund selbstverständlich ist. Die Rasse der Havaneser hat alle unsere Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern bei Weitem übertroffen. Als Plus bekamen wir Hunde mit einer überbordenden, ansteckenden Fröhlichkeit: Grübeln auf einem Spaziergang mit Havaneser ist kaum möglich, immer zaubert diese Rasse uns ein Lächeln ins Gesicht – ob nun einer auf die Idee kommt, einen Hang mit Herbstlaub als Rutsche zu benutzen und wir ihm beim begeisterten Hochrennen und Herunterrutschen zusehen oder bei den berühmten wahnsinnigen Havaneser-5-Minuten, bei denen der Hund wie eine Rakete im Kreis herumfetzt und gurgelnde Belllaute von sich gibt vor überschäumender Lebens- und Bewegungsfreude. Wenn dann noch hinter dem Hund der Staub oder Pulverschnee herausstäubt, ist das Lebensgefühl des Raketen-Hundes perfekt ! Tiere jeglicher Art in Haus und Natur, ob Vogel, Kaninchen oder Hamster, Maus & Co, betrachtet der Havaneser nicht automatisch nach Terrier-Art als potenzielle Beute, sondern als möglichen Spielkameraden. Auch das macht ein Zusammenleben mit dieser Rasse äußerst leicht und angenehm. Hinzu kommen eine legendäre Intelligenz und bilderbuchmäßige Lernfreudigkeit. Während unsere Landseer sich stoisch selbst beim Anblick eines Parmaschinkens weigerten, auch nur das kleinste „Kunststückchen“ einzustudieren (der Blick sprach Bände: „Macht euch doch selbst zum Affen!“), greifen Havaneser begeistert jede Idee ihres Zweibeiners auf. Während unsere Colliehündin ab und an zwar Lust auf Tricks hat und sich beim Einstudieren zwar nicht als dumm erweist, kann sie nicht nur diesbezüglich, sondern auch in anderer Hinsicht – so gerne wir sie haben – den Havanesern nicht das Wasser reichen, obwohl Collies ja im Hinblick auf die berühmte Lassie in vielerlei Hinsicht zu legendärer Berühmtheit gelangt sind. Oftmals sind es zukünftige Havaneser-Herrchen, die lautstark verkünden, dass ein etwaiger Hundeplatz-Besuch Sache von Ehefrau und Kindern sein wird – am Ende drängt sich dann selbiger Mann nach vorne und frequentiert begeistert die Trainingseinheiten. Auf die Frage nach dem Grund für den Sinneswandel erfährt man dann, dass das Herrchen es genieße, weil der Havaneser ohne großes Üben immer der Star sei, was natürlich auch mit viel Lob für den Havi-Besitzer einhergehe – und wann wird Mann denn schon so überschwänglich gelobt im Leben, ohne sich angestrengt haben zu müssen ? Und was meine anfängliche Borniertheit und Ignoranz gegenüber Kleinhunden angeht, so habe ich diese beschämt gänzlich abgestreift – angesichts des Herzens aus purem Gold, der unbezähmbaren Lebensfreude und der großen Persönlichkeit eines Havanesers vergisst man außerdem voll und ganz, dass man es nicht mit einem Hund der Größe eines Bernhardiners zu tun hat! Auch aus meinem Leben sind Havaneser nie mehr auch nur ansatzweise wegzudenken.